„Sooo viel Oma will ich manchmal gar nicht sein“

Oma und Enkelkind

Sabrinas Tochter Klara wohnt mit Mann und Enkelkind im gleichen Haus. „Das ist schön, sehr schön sogar“, sagt sie, „aber halt nicht immer.“ Denn obwohl ihre Tochter sie nie einfach so überfällt, fragt sie doch oft, ob die Mama grad mal ein bisschen Zeit hat. Zum Kaffeetrinken, zum gemeinsamen Mittagessen, einfach so mal – und immer dann, wenn der jungen Mutter die Decke mit der inzwischen zweijährigen Greta auf den Kopf fällt. Wenn man eben eine Oma braucht. „Aber auch das kann schwierig sein, denn dann kommen sie zum Essen und Spielen, und dann gehen sie wieder mit einem ‚Tschüss dann und danke‘, und ich sitz da mit dem Chaos. Das nervt mich dann schon manchmal.“ 

Sabrina selbst war sehr früh schon alleinerziehend, hat sich von ihrem Mann getrennt, als ihre Kinder drei und eineinhalb Jahre alt waren. Eine Lebensphase, bei der sie heute noch dankbar ist für die Hilfe ihrer eigenen Eltern. „Aber man muss auch dazu sagen: Die haben schon nicht mehr gearbeitet und sie hatten sich. Ich habe keinen Partner. Und da frag ich mich schon manchmal, wie wäre es, wenn ich einen hätte? Und dann denk ich wieder – ich hätte doch gar keine Zeit für sowas. Und das darf doch eigentlich nicht sein.“ Gerade an Sonntagen schickt ihre Tochter die Kleine schon mal zu ihr … um selbst ein bisschen ungestörte Zeit mit ihrem Mann zu haben. „Ich würde natürlich auch gern mal ausschlafen. Aber ich finde auch, in meiner Generation haben wir zu wenig auf unsere eigenen Bedürfnisse und die als Paar geachtet. Bloß muss ich halt auch aufpassen, dass mir das vor lauter Verständnis für meine eigene Tochter nicht gleich noch mal passiert, dass ich meine Bedürfnisse dauernd hintanstelle.“

Natürlich ist es für die kleine Greta wunderschön, eine so liebevolle Oma zu haben, zu der sie einfach rüberstiefeln kann. „Aber so schön das ist, so wichtig ist es für mich auch, mich abzugrenzen.“ Und das gelingt ihr seit einiger Zeit immer besser. „Anfangs hat mich meine Tochter auch auf der Arbeit angerufen und gefragt, wann ich komme. Und das hat mich total in Stress versetzt“, erzählt die 56-Jährige, die selbst so jung aussieht, dass man gar nicht auf die Idee kommt, sie könne schon Oma sein. „Ich bin dann so schnell wie möglich heim, und wenn ich im Stau stand, war ich total nervös – weil ich dachte, ich werde so dringend gebraucht.“ 

Schnell hat Sabrina gemerkt, dass ihr das nicht guttut, und sie hat dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben. „Wenn ich auf der Arbeit bin, bin ich auf der Arbeit, und wenn ich noch etwas erledige, dann dauert es halt länger. Das Gleiche ist es, wenn ich etwas vorhabe … dann will ich auch nicht zurückstecken. Und was ich eigentlich auch nicht will, ist, mich dafür zu entschuldigen.“ Ihre Tochter erwartet das gar nicht von ihr, sie selbst aber kämpft jedes Mal mit dem schlechten Gewissen, wenn sie sich ihre Freiheit rausnimmt, ihre Grenzen zieht und Ruhephasen oder einfach mal eine Auszeit einfordert. 

„Für Klara war das anfangs schon schwer zu verstehen. Wenn ich mich zum Beispiel mal mit ihrem Bruder getroffen habe, wollte sie unbedingt mit. Aber ganz ehrlich, das hab ich nur einmal gemacht. Ich hab mich sehr gefreut auf den Restaurantbesuch, aber nach einer Stunde war der vorbei, weil Greta nicht mehr sitzen wollte. Ich liebe die Kleine über alles und es ist ja ganz klar, dass sie zum einen noch nicht stundenlang ruhig sitzen kann und zum anderen im Mittelpunkt steht, aber wenn ich essen gehe, möchte ich auch selbst in Ruhe meine Mahlzeit genießen und mich gut unterhalten – und das geht mit so einem kleinen Kind einfach nicht. Ich verstehe natürlich, dass Klara auch mal raus möchte. Aber dann muss sie das anders handhaben.“ 

Sabrina findet das Abgrenzen, das Für-sich-selbst-Zeit-nehmen, das Freiheit-erhalten auch deswegen so wichtig, weil sie vermeiden möchte, dass es ihr irgendwann doch zu viel werden könnte. „Das wäre doch schade fürs Kind.“ Und für sie selbst natürlich auch. Denn die bedingungslose Liebe der Kleinen genießt Sabrina sehr. „Es erinnert mich auch an die Zeit mit meinen eigenen Kindern – da kommen viele schöne Erinnerungen hoch.“ Und die kleine Greta sorgt mit jedem Besuch dafür, dass neue dazukommen.

Text: Simone Blaß

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